Übersetzen ist leider anders als Malen nach Zahlen, denn es ist häufig der Fall, dass es in einem Sprachenpaar für einen Sachverhalt nur einen Ausdruck gibt, während es im anderen zwei oder mehr sind. Klar wird das, wenn man sich überlegt, dass im Englischen „wall“ im Deutschen entweder eine Mauer oder eine Wand ist –„Chinesische Wand“ klingt irgendwie komisch, weil es eben „Chinesische Mauer“ heißt.
Nicht anders verhält es sich bei Rechtstexten – mit der Besonderheit, dass Wörter zum einen mit der Zeit ihre Bedeutung ändern können (Totschlag hatte in den zwanziger Jahren des letzten Jahrhunderts in Deutschland eine andere Bedeutung als heute) und zum anderen in unterschiedlichen Rechtsräumen Bedeutungsvariationen aufweisen können (Totschlag ist in Österreich etwas anderes als in Deutschland).
Deswegen ist es nicht immer möglich, einen Begriff adäquat in die Fremdsprache zu übertragen. Ein Trick ist zum Beispiel bei der Sprachkombination Englisch-Deutsch für den „shareholder“ ein eigenes Wort zu „erfinden“. Der Sprachwissenschaftler nennt das Lehnübersetzung. Wenn man als Übersetzer nicht weiß, ob es um eine GmbH oder eine Aktiengesellschaft geht, nimmt man dann einfach Anteilseigner, und schon ist das Problem gelöst, weil dann sowohl die Gesellschafter einer GmbH als auch die Aktionäre einer AG gemeint sein können.
Das gleiche Spiel geht natürlich auch, wenn einer Person das Leben genommen wird: Tötungsdelikt umfasst ja auch mehrere Tatbestände. Allerdings gibt es dann noch das Problem der Textgattung: In einer Anklageschrift ist es sicherlich kein Problem, zu schreiben „xxx wurde bereits wegen eines Tötungsdelikts verurteilt“, wenn im Ausgangstext omicidio, morder oder убийство steht. Wenn Sie aber einen Roman verkaufen wollen, der heißt „Tötungsdelikt im Strandcafé“, dürften Ihre Erfolgschancen eher bescheiden sein, denn in der Belletristik passieren nun mal Morde, weil das einfach gruseliger klingt.